Das Thema „Gendern“ ist seit einer Weile in aller Munde, und immer mehr Unternehmen versuchen, eine geschlechtergerechte Sprache in ihren Schriftstücken umzusetzen. Aber immer wieder scheitern viele an der konkreten Umsetzung. Hier ein paar Tipps, wie Sie einfache und ansprechende Texte verfassen können, die niemanden nur „mitmeinen“.
Zum allgemeinen Verständnis: Das Wort „gender“ kommt aus dem Englischen und bedeutet Geschlecht – und zwar das soziale Geschlecht, also die gesellschaftlichen Rollen und Eigenschaften, die stereotypisch „Mann“ oder „Frau“ zugeschrieben werden (das biologische Geschlecht heißt auf Englisch „sex“). Unter „Gendern“ versteht man ein Formulieren, das beide Geschlechter berücksichtigt, denn: Sprache prägt das Denken. Zahlreiche Untersuchungen seit den 1970er-Jahren haben gezeigt, dass dort, wo man nur in der maskulinen Form spricht, viel mehr an Männer als an Frauen gedacht wird – und sich Frauen oft nicht angesprochen fühlen.
Das grammatische und das biologische Geschlecht
Aktueller Beitrag zum neuen Personenstandsrecht:
Seit Kurzem gibt es die dritte Geschlechtskategorie “divers”. Lesen Sie, wie Sie Intersexuelle in der Korrespondenz ansprechen.
Im Deutschen gibt es für alle Substantive ein grammatisches Geschlecht: Maskulinum (= männlich: der Löffel), Femininum (= weiblich: die Gabel) und Neutrum (= sächlich: das Messer). Dieses grammatische Geschlecht ist eine innersprachliche Unterteilung – bei Personenbezeichnungen stimmt es oft, aber nicht immer mit dem außersprachlichen biologischen Geschlecht der bezeichneten Person überein. So können sowohl „der Mensch“ als auch „die Person“ oder „das Kind“ biologisch männliche und weibliche Personen bezeichnen, ihre Pluralformen sind also auch geschlechtsneutral. Andere Substantive dagegen haben eine maskuline und eine feminine Form: der Mitarbeiter, die Mitarbeiterin. Daher ist eine Pluralform wie „die Mitarbeiter“ nicht geschlechtsneutral, weil es die Form „die Mitarbeiterinnen“ gibt!
Hier nun setzt das Bedürfnis vieler Unternehmen an, denn Frauen wollen heute sichtbar sein – egal ob als Mitarbeiterin, Vorständin (der Ausdruck steht seit Jahren im Duden) oder Kundin. Die rein maskuline Form für Männer und Frauen zu verwenden, verstößt gegen das wichtige Kommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. In Stellenanzeigen ist das längst vorgeschrieben – ein Blick in den Anzeigenteil zeigt, was für eine Bandbreite es gibt:
- Senior Consultant (m/w)
- Fachkraft Elektrotechnik
- Referentin/Referent
- Immobilienkauffrau/-mann
- Mitarbeiter/-in
Unternehmen, die qualifizierte Fachkräfte suchen, können heute nicht mehr auf die Kompetenz gut ausgebildeter Frauen verzichten – daher: Gehen Sie aktiv an die Sache heran und sprechen Sie in Ihren Schriftstücken auch die Frauen an. Das gilt natürlich nicht nur für die Suche nach geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern, sondern sollte auch innerhalb des Unternehmens eine Selbstverständlichkeit sein oder werden.
Dossier: Einfache Sprache
Einen Text oder Teile eines Textes in Einfacher Sprache zu schreiben hat zwei Ziele: Menschen mit Leseschwächen sollen das Wichtigste finden und verstehen können. Und sie sollen anschließend in der Lage sein, sich über den Inhalt mit anderen auszutauschen. Das gilt auch für die Korrespondenz in Unternehmen. Nutzen Sie dieses Dossier für hilfreiche Schreibtipps.
Laden Sie sich hier das kostenlose Dossier herunter:
Konkrete Vorschläge fürs richtige Gendern
Wie gehen Sie nun am besten vor? Es gibt hier keine Rezepte, denn je nach Situation werden Sie vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen.
1. Ausführliche Doppelnennung
Die höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung ist es, feminine und maskuline Formen beide zu nennen und so explizit die weiblichen und männlichen Personen anzusprechen: Kolleginnen und Kollegen, Assistentin oder Assistent, jede und jeder … Das ist vor allem in der persönlichen Anrede üblich („Liebe Kolleginnen und Kollegen“) und funktioniert auch in schriftlichen Texten gut, wenn man nicht in Platznot ist. Manche femininen Berufsbezeichnungen setzen sich übrigens erst dann durch, wenn eine Frau die entsprechende Stelle besetzt: Das Wort Bundeskanzlerin ist nicht ohne Grund erst seit 2005 geläufig … Zu den meisten Zusammensetzungen mit „-mann“ können die femininen Entsprechungen mit „-frau“ gebildet werden und umgekehrt:
- Vertrauensmann, Kaufmann –› Vertrauensfrau, Kauffrau
- Hausfrau, Putzfrau –› Hausmann, Putzmann
- Plural zu beiden Formen mit -leute: Vertrauensleute, Kaufleute
Diese Doppelnennung können Sie auch unterschiedlich nutzen – sowohl im Singular als auch im Plural und sowohl mit „und“ als auch mit „oder“ verbunden:
- Der Antragsteller oder die Antragstellerin unterschreibt hier.
- Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden gebeten, …
2. Sparschreibung bei Doppelnennung
Wenn der Platz beim Schreiben knapp wird (zum Beispiel in Formularen und in Texten mit vielen Wiederholungen), bietet sich zunächst der Schrägstrich an, er dient der Angabe mehrerer gleichberechtigter Möglichkeiten:
Der Antragsteller/die Antragstellerin
- Frau/Herrn
- Arzt/Ärztin
- Patientinnen/Patienten
- jede/jeder
Bei Personenbezeichnungen, die sich nur durch die Endung unterscheiden und bei denen sich kein Vokal ändert, kann außerdem mithilfe des Bindestrichs weiter verkürzt geschrieben werden; dieser Bindestrich vor der Endung ist nach der amtlichen Rechtschreibung vorgesehen, wird allerdings häufig auch weggelassen:
- Mitarbeiter/-innen (Mitarbeiter/innen)
- Assistent/-in (Assistent/in)
- jede/-r (jede/r)
Diese Verkürzung funktioniert nicht, wenn die feminine Form mit einem Umlaut gebildet wird: Arzt/Ärztin, Bauer/Bäuerin. Auch wenn nicht nur „-in“ oder „-innen“ angehängt wird, sondern unterschiedliche Endungen existieren (Singular: Kolleg- e/Kolleg-in, Plural: Kolleg-en/Kolleg-innen), wird es schwierig; hier ist es nicht üblich, korrekt zu kürzen: Kolleg-/-inn-/-en. Praktisch, aber nicht im Einklang mit den offiziellen Rechtschreibregeln ist das große I im Wortinnern (Binnen-I). Man kann damit elegant die gerade skizzierten Probleme umgehen – wenn man eben nicht an die offizielle Rechtschreibung gebunden ist (wie es Schulen und Behörden aber sind!). Das Gleiche gilt für die „Sternchenlösung“ oder den Unterstrich, die Sie statt des großen I zwischen den Wortstamm und die feminine Endung setzen können:
- KollegInnen
- Kolleg*innen
- Kolleg_innen
In längeren Texten sollten Sie übrigens versuchen, Pluralformen zu nehmen, denn da sind Artikel und Pronomen für feminine und maskuline Formen gleich (die, ihre, denen …):
- Alle Mitarbeiter/-innen, die zu spät kommen, müssen ihre Verspätung entschuldigen.
- Allen Mitarbeiter/-innen, denen Urlaub gewährt wurde, …
3. Ersatzformen und Umformulierungen
Genauso gut können Sie aber auch geschlechtsneutrale Formen nehmen. Das sind – wie Sie eingangs gesehen haben – Substantive, die automatisch beide Geschlechter bezeichnen, weil sie nur eine Form haben (es gibt nicht „die Menschin“ oder „den Geisel“):
- der Mensch, der Fan, der Gast
- die Person, die (zum Beispiel Hilfs-)Kraft, die Geisel
- das Mitglied, das Opfer, das Gegenüber
So können Sie also gut neutral formulieren: Ersatzperson, Fachkraft usw.
Im Plural bietet sich außerdem die Verwendung von substantivierten Partizipien und Adjektiven an, weil diese männliche wie weibliche Personen bezeichnen:
- die Studierenden, die Lernenden, die Lehrenden
- die Gewählten, die Verwitweten, die Abgeordneten
- die Großen, die Älteren, die Jugendlichen
Und wenn das alles nicht so recht klappen will, können Sie abstrakte Begriffe verwenden:
- Leiterin oder Leiter –› Leitung
Das bietet sich oft an, um umständliche Doppelformen zu vermeiden. Allerdings sollten Sie aufpassen, dass Ihre Texte nicht zu unpersönlich werden, besonders wenn Sie sich an konkrete Personen wenden. Aber versuchen Sie es einfach einmal; Sie können – je nach Kontext – auch ganze Sätze neu formulieren:
- Informant –› Quelle
- Herrscher –› Staatsoberhaupt
- Journalisten –› Presse
- Messebesucher links abbiegen. –› Zur Messe links abbiegen.
Schließlich können Sie auch das direkte Ansprechen nutzen; oft ist das sogar kürzer. Sie können damit viele Texte im wahrsten Sinne des Wortes „ansprechender“ gestalten:
- Besucher werden gebeten, ihre Taschen einzuschließen. –› Bitte schließen Sie Ihre Taschen ein.
- Unterschrift des Steuerpflichtigen –› Ihre Unterschrift
Sie sehen: Je nachdem, wo Sie arbeiten und welche Texte Sie verfassen (oder umformulieren) müssen, es gibt vielfältige Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu kommunizieren. Werden Sie kreativ und trauen Sie sich – nicht nur die Frauen werden es Ihnen danken!
Die Autorin Dr. Anja Steinhauer ist Sprachwissenschaftlerin und Autorin von Büchern zur deutschen Sprache. Sie beschäftigt sich besonders mit sprachlichen Zweifelsfragen und der Vermittlung von Fachwissen an Nichtfachleute. www.textfit.de