Arbeiten mit dem Affinity‑Board

© PeopleImages / iStock / Getty Images Plus

Täglich haben wir mit einer Flut an Informationen zu tun. Entweder ersticken wir nahezu daran oder wir suchen verzweifelt nach Infos, die uns bei der Lösung unserer Aufgaben dienlich sein könnten. Oftmals haben wir aber auch schon alles, was wir dafür brauchen – nur geht es im heillosen Chaos unter. Nutzen Sie daher das Affinity-Board, um die Informationsflut in kontrollierte Staubecken zu lenken!

Überblick dank Post-its

Wie kommen wir strukturiert an alle Informationen, die wir brauchen? Und wie erobern wir uns den Überblick zurück, um wieder handlungsfähig zu werden und den Alltag zu beherrschen? Die Lösung sind Post-its an den Wänden von Workshopräumen und auf den Bürofluren. Die Klebezettel sind das wirkungsvollste Mittel der Wahl, um die Gedanken einer Gruppe einzusammeln.

Wie das Affinity-Board Ordnung schafft

Wenn es darum geht, große Informationsmengen in Bahnen zu lenken, ist das Affinity-Board eine geeignete Methode für Ordnung und Überblick. Das Affinity-Board – auch unter dem Namen „Affinity Diagram“ bekannt – eignet sich, um

  • große (!) Datenmengen zu sortieren,
  • Zusammenhänge zu erkennen,
  • Probleme zu definieren und
  • Lösungswege zu ersinnen.

Anders als beim klassischen Brainstorming, das auf spontane Gedanken abzielt und manch einen Beteiligten durch die erforderliche Spontaneität stresst, werden beim Affinity-Board bereits vorhandene Informationen gesammelt. Schon einige Tage vorher bekommen die Teilnehmer den Auftrag, alles zum Thema zusammenzutragen.

Praxis-Tipp:
Flurwände, Foyers und Treppenhäuser eignen sich hervorragend, um in Meetings gemeinsam zu arbeiten. Und online funktionieren Klebezettel-Brainstormings auf Remote Whiteboards wie Miro oder Mural genauso gut.

Auf ans Board – so geht’s!

In zehn Schritten gelangen Sie vom Chaos zum Überblick.

  1. Richtung vorgeben
    Stellen Sie das Thema den Beteiligten kurz vor. Beispiel: „Wie können wir ein Teamerlebnis schaffen?“
  2. Informationen sammeln
    Das Sammeln der Informationen steht am Anfang. Jeder Teilnehmer wird mit Haftnotizen ausgerüstet und schreibt auf, was ihm in den Sinn kommt. Die Notizen werden sofort vorgelesen, aber nicht erläutert und an die Wand geklebt. Immer weiter dürfen neue Ideen notiert und an die Wand gebracht werden.
    Wenn das Brainstorming ruhiger wird, geht es an die Sammlung externer Infos. Tragen Sie alles, was die Gruppe in den letzten Tagen oder Wochen zum Thema gesammelt hat, zusammen und machen Sie es sichtbar. Papierschnipsel, Zeitungsartikel, Skizzen, die während langweiliger Telefonate auf den Notizblock gekrickelt wurden – all das kommt auf den Tisch bzw. an die Wand. Schreiben Sie zu jedem Fundstück die Gedanken und Kernaussagen auf je einen Klebezettel (etwas, was die Teilnehmer auch vorbereiten können) und hängen Sie ihn zu den anderen.
  3. Einfach anfangen
    Das Sortieren (Clustern) der Zettel ist der nächste Schritt. Zu Beginn ist oftmals nicht absehbar, wie viele Cluster es geben wird. Jetzt startet die Fleißarbeit. Nehmen Sie den ersten Zettel und eröffnen Sie damit das erste Cluster.
  4. Cluster finden
    Jetzt ist der nächste Zettel dran und dann der nächste und der nächste und der nächste … Passt der Zettel zu anderen Zetteln, kommt er dazu. Passt er nicht, eröffnet er das nächste Cluster.
  5. Cluster benennen
    Erfahrungsgemäß landet man bei maximal zehn Clustern. Jetzt geht es darum, innerhalb der Cluster die wichtigsten Aspekte herauszustellen und durch größere oder andersfarbige Klebezettel kenntlich zu machen. Geben Sie dem Cluster auch einen (Kategorie-)Namen.
  6. Cluster priorisieren
    Legen Sie zunächst fest, aus welcher Perspektive Sie eine Rangfolge der Cluster festlegen wollen. Denken Sie aus Kundensicht oder an das Unternehmensergebnis? Orientieren Sie sich an Wettbewerbern oder an eigenen Visionen? Oder müssen Sie den Aktionär glücklich machen? Wenn ein Steuerberater und ein Mediengestalter auf das gleiche Informationsfeld schauen, werden sie Cluster definitiv unterschiedlich gewichten. Daher ist es wichtig, sich in der Gruppe auf eine Perspektive zu einigen.
  7. Verbindungen sichtbar machen
    Die Themen aus den einzelnen Clustern sind mitunter nicht klar trennbar. Zeichnen Sie Verbindungen zwischen Aspekten, die Ihrer Meinung nach schlecht voneinander getrennt werden können. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, Zusammenhänge besser zu berücksichtigen.
  8. Der Blick aufs Ganze
    Treten Sie ein paar Schritte zurück und schauen Sie sich die wilde Zettel-Landkarte an. Jeder überlegt für sich, was er darin erkennt. Was ist bewusst geworden? Welche Erkenntnisse gibt es? Welche Themen sind noch offen? Was ist schon erledigt worden?
  9. Die nächsten Schritte planen
    Der wichtigste Punkt: Vereinbaren Sie direkt, wie es mit den gewonnenen Erkenntnissen weitergeht! Welche Themen packen Sie sofort an? Wer nimmt die Erkenntnisse mit in den Alltag? Wer kümmert sich um die nächsten Schritte? Es geht darum, den Mehrwert aus der Datensammlung zu nutzen und keinen weiteren Datenmüll, sondern möglichst Implementierung zu schaffen.
  10. Der nächste Stopp
    Vereinbaren Sie einen Termin, bei dem Sie den Fortschritt der Maßnahmen hinterfragen.
    Ihr Ergebnis kann sich sehen lassen, denn jetzt haben Sie
    – einen Überblick über die Zusammenhänge Ihrer Datensammlung,
    – eine Priorisierung der dringendsten Themen und
    – konkrete Maßnahmen.

Praxis-Tipp:
Vergessen Sie nicht, Fotos von Ihrem Affinity-Board und seinen Clustern zu machen.

Checkliste

Bereiten Sie sich vor:

  1. Bestimmen Sie eine Gruppe von Menschen, die für die Sammlung und Sichtung des Infomaterials hilfreich ist. Hier müssen noch keine Entscheider dabei sein. Es geht erst einmal darum, ein Gefühl für die Ausmaße und Inhalte der Datensammlung zu bekommen.
  2. Teilen Sie den Teilnehmern das Thema mit. Bleiben Sie dabei auf einer sehr groben Flughöhe, denn Sie wollen, dass am Workshoptag möglichst alle Informationen auf den Tisch bzw. an die Wand kommen.
  3. Alle schreiben während der Zeit bis zum Workshop erste Ideen auf einen Schmierzettel, sammeln Zeitungsschnipsel, Fachbeiträge, Bilder, Kundenbeschwerden – kurzum alles, was zu Ihrem Themengebiet irgendwie dazugehören will – und bringen es zum Workshop mit.
  4. Die Menge der Informationen benötigt Platz. Wo manchmal noch Metaplanwände, Whiteboards und Flipcharts ausreichen, sollte man hier zusätzlich an Wände, Fensterscheiben und Möbel denken. Alles, was glatte Flächen hat, ist geeignet.
  5. Entscheiden Sie sich für hochwertige Klebezettel, auch wenn die Zettel zügig wieder in der Tonne landen. Sie müssen bis dahin allerdings ordentlich an allen einigermaßen glatten Oberflächen kleben, immer wieder an anderen Stellen positioniert werden können und rückstandslos wieder zu entfernen sein. Es ist sehr ärgerlich, wenn die Zettelchen zwischendurch ständig von der Wand rieseln und die Aufmerksamkeit für sich beanspruchen.
  6. Wählen Sie ausreichend dicke Stifte. Kugelschreiber und Fineliner fallen weg, ebenso die fetten Boardmarker. Finden Sie Filzstifte, die deutlich schreiben.
  7. Geliebt und gehasst – die Uhr. Ein geübter Moderator für agile Workshops hat ein gutes Gespür für das Bemessen von Zeitfenstern für effektive Gruppenarbeiten (und einen unerbittlichen Time Timer). Setzen Sie für den gesamten Prozess nicht mehr als drei Stunden an. Beobachten Sie, wann die Teilnehmer immer weniger Zettel produzieren, wann sich Themen wiederholen oder die Konzentration nachlässt, und reagieren Sie darauf: Mehr Zeit zu verwenden, bedeutet einen Verlust an Fokus und Kreativität.

Praxis-Tipp:
Als Variante können Sie die Bewertung durchaus auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln vornehmen. Das eignet sich dann, wenn Sie zum Beispiel die Informationen hinsichtlich eines neuen Projekts bewerten wollen. Was ist für den einen Beteiligten wichtig, was für den anderen?

Autorin: Barbara Stromberg