Jetzt kann ich zum Glück endlich, endlich diese Präsentation halten, um die ich seit Monaten gekämpft habe, die mir aber auch seit Wochen auf der Seele lastet. Ha-puh, tief durchschnaufen! Obwohl – was soll schon schiefgehen, beim Thema „Verbesserte Arbeitsabläufe“ kann mir keiner was vormachen, da musste ich kein bisschen recherchieren.
Es gibt absolut keinen Grund, warum da irgendwas schiefgehen sollte. X-mal bin ich am Rechner die PowerPoint-Folien durchgegangen, ich habe so lang an meinem Vortrag gefeilt, bis er nur so gestrotzt hat vor diesen hochgestochenen Formulierungen, die der Chef so liebt …
Langweilige PowerPoint-Präsentationen
Sooo, raus mit der erste Folie und damit den 25 wichtigsten Punkten meiner Ist-Zustand-Analyse, schön ordentlich mit Bullet-Points untereinander aufgereiht, damit … Herrschaftszeiten, wieso fummelt denn dieser unerträgliche Meyer aus der Revision JETZT SCHON an seinem Handy rum – noch dazu so, dass alle es sehen können? Ich habe doch eben erst mit ihrer Präsentation angefangen!
Schnell her mit Folie 2, bei DEM Überblendeffekt werden die Leute aber Augen machen. Hat mir der Lothar aus der EDV gestern erst eingebaut, dauert kaum fünf Sekunden und ist angeblich an der Comiczeichner-Hochschule Hongkong gerade der Hit.
Hat der Chef eben komisch geschaut? Nee, das habe ich mir bestimmt nur eingebildet. Das liegt höchstens daran, dass ich sozusagen präsentationstechnisch erst mal das trockene Brot durchkaue, damit alle alles wissen und verstehen, was in diesem Laden seit den späten Sechzigern schief läuft. Schlau wie ich bin, habe ich mir die wirklich scharfen Thesen für den Schluss aufgehoben. Den Nachtisch gibt’s ja auch immer zuletzt.
Äh – warum schaut denn Caro so aufmunternd her? Ja, wir sind Lieblingskolleginnen, aber es läuft doch? Ich lese völlig souverän noch mal die zwölf Thesen zur Urlaubsplanung von meiner Folie ab, die der Vorstand neulich schon bei der Betriebsversammlung vorgetragen hat, da brauche ich doch keine Aufmunterung!
So, jetzt lasse ich die Leute aber in Ruhe lesen, ich muss ja nicht ständig reden. Dieses komische neue Kleid hat zwar einen tollen Gürtel, in den man so schön lässig die Hände einhaken kann beim Reden, aber es spannt am Rücken, da tut’s ganz gut, mal ein Weilchen zu sitzen. Ist eh nicht gerade die spannendste Passage. Offen gestanden, ist sie sogar völlig unnötig, aber ich habe mal gehört, dass keiner eine Präsentation ernst nimmt, die kürzer ist als 20 Minuten, da braucht man schon ein wenig Füllstoff. Habe ich gestern schon gemerkt, als ich das Ganze fix zum ersten Mal probeweise gehalten habe, aber ist ja auch egal, schlimmer als beim Chef wird’s schon nicht sein. Wie der immer so spannende Privat-Geschichten einflechtet bei seinen Vorträgen, ganz schlimm.
Ha, fast fertig, jetzt aber schnell ins Ziel retten. Für die letzten beiden Folien drehe ich mich einfach mal zur Leinwand um und lese das Zeug mit dem Rücken zum Publikum vor, die wissen schließlich, wie ich von vorn aussehe, hihi.
Der Autor Robert Saemann-Ischenko hat seine Ausbildung an der Henri-Nannen-Journalistenschule absolviert. Er arbeitete bei diversen Printmedien als Redakteur und Textchef und seit 2009 als freier Autor. Darüber hinaus gibt er unterhaltsame Seminare zu den Themen Schreiben und Präsentieren.