Kennen Sie das? Ein Kollege hat Ihnen das Versprechen gegeben, sich um eine bestimmte Sache zu kümmern und es dann nicht getan. Das Versäumnis fällt nun auf Sie zurück. Wie reagieren Sie? Vermutlich wütend, denn nun müssen Sie sich rechtfertigen, und auch enttäuscht. Bis Sie dem Kollegen das nächste Mal vertrauen, wird sicherlich eine ganze Zeit ins Land gehen. Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen – sagt der Kindermund. Lesen Sie, was Versprechen genau sind und warum es in mehrerlei Hinsicht wichtig ist, sie einzuhalten.
Was Versprechen uns bedeuten
Versprechen treten in verschiedenen Varianten auf. Sie begegnen uns unter anderem als Eide, Schwüre, Verträge, Vereinbarungen. Sie haben eine stark bindende, normative Kraft. Hat man einmal ein Versprechen gegeben, übt es eine Art Zwang aus, es auch zu erfüllen. Seine Versprechen zu halten, gilt als ein wichtiges moralisches Prinzip.
Gewisse Bedingungen müssen aber erfüllt sein, damit ein Versprechen zustande kommt. Dazu gehören:
- Bei einem Versprechen verpflichtet man sich zu einer bestimmten zukünftigen Handlung (Ich werde das bis nächste Woche überweisen) oder auch Nicht-Handlung (Ich verspreche, nichts davon zu erzählen). Ein Versprechen richtet sich auf die Zukunft.
- Wenn ich etwas verspreche, dann verpflichte ich mich dazu, etwas zu tun. Ich kann meine Versprechen nicht von anderen ausführen lassen, höchstens in dem Sinne, dass ich mich darum kümmern werde, dass jemand etwas tut.
- Versprechen zeichnen sich dadurch aus, dass ich etwas unternehmen werde, was im Interesse der Person liegt, der ich etwas verspreche. “Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen die Hölle heiß mache” ist deshalb kein Versprechen, sondern eine Drohung. Als Versprechender muss ich darüber hinaus glauben, dass der Inhalt des Versprechens für die andere Person sinnvoll ist. Mein Versprechen greift also einen Wunsch oder ein Anliegen der Person auf, der ich etwas verspreche.
- Ein Versprechen ist auch dann sinnlos, wenn ich den Inhalt des Versprechens ohnehin ausgeführt hätte und die Handlung im normalen Verlauf der Ereignisse liegt.
- Ich habe die Absicht, mich mit meinem Versprechen zu der Handlung zu verpflichten. Dieser Verpflichtungscharakter ist das Markenzeichen eines Versprechens. Auch wenn mir Nachteile daraus entstehen, wird das Versprechen für mich bindend sein.
- Wenn ich ein Versprechen äußere, dann glaubt die Person, der ich etwas versprochen habe, dass ich die Handlung ausführe. Sie verlässt sich darauf.
Und wenn etwas dazwischenkommt?
Wenn wir mit unseren Versprechen in ein moralisches Dilemma geraten, dann meist deswegen, weil wir im Moment des Versprechens noch nicht wissen konnten, dass die Welt vielleicht ganz anders aussieht, wenn der Zeitpunkt gekommen ist, es auch einzuhalten. Wie steht es um unsere Verpflichtung, wenn etwas dazwischenkommt?
Oft denken wir, dass es nicht so schlimm sei, eine Zusage nicht einzuhalten. Und wir begründen das damit, dass die Konsequenzen nicht sehr negativ ausfallen. Selbst wenn das Nichteinhalten meiner Zusage nur schwache negative Konsequenzen hat, rechtfertigt dies nicht, dass die Zusage nicht eingehalten wird. Denn immerhin hat es negative, wenn auch vielleicht nur schwache Konsequenzen. Und zweitens kann es passieren, dass mein Nichteinhalten des Versprechens eben doch starke Konsequenzen nach sich zieht, weil es keine anderen Personen gibt, die das Ganze kompensieren.
Versprechen Sie nichts, was Sie nicht halten können
Manchmal verspricht man etwas, das man nicht halten kann, in der Hoffnung, dass der Lauf der Dinge es einem irgendwie ermöglicht, den Inhalt des Versprechens zu erfüllen. Im Grunde aber ist diese Vorgehensweise unredlich. Wenn man einmal ein Versprechen gegeben hat, dann ist es wichtig, dass man sich selbst auch an seine Versprechen erinnert. Es ist wichtig, gegebene Versprechen nicht zu übersehen oder gar zu vergessen. Gerade dann, wenn man ein Versprechen nicht zeitnah weiterverfolgt hat, passiert es schon, dass man aus den Augen verliert, was man zugesagt hat. Es geschieht aus Nachlässigkeit und Schlamperei, ist aber im Grunde auch ein Zeichen der Missachtung gegenüber der Person, der man etwas versprochen hat.
Wenn Beruf und Privatleben in Konflikt geraten
Diese Situation kennt gewiss jeder: Wir haben in privatem Kontext etwas versprochen, da kommt eine berufliche Verpflichtung dazwischen. Was tun? Ist es moralisch geboten, dem Beruf immer den Vorrang einzuräumen? Oder handeln wir umgekehrt nur dann moralisch integer, wenn wir auch private Versprechen ernst nehmen? Darauf gibt es sicher keine eindeutige Antwort. Je nach Situation wird man diesen Konflikt anders entscheiden. Wichtig und ganz gewiss die Mühe wert ist es jedoch, sich für diese Frage zu sensibilisieren und die jeweilige Entscheidung gut zu bedenken.
aus: Thomas Wilhelm: Wie viel Gewissen darf’s denn sein?