Immer “ja” zu allem sagen, ist nicht Ihre Art? Versuchen Sie diese Variante dennoch: Nehmen Sie die Anweisungen Ihres Chefs an, loben Sie seine Ideen – und entwickeln dann bei der Umsetzung Kreativität und Eigeninitiative, um das geforderte Ziel zu erreichen.
Der Chef hat immer Recht
Das Jasager-Spiel besteht aus zwei Phasen. In Phase eins nehmen Sie die Anweisungen Ihres Chefs entgegen und gehen dabei jeder Konfrontation aus dem Weg. Egal, wie unausgegoren, unrealistisch, ja größenwahnsinnig der Chef seinen Auftrag formuliert, wie überspannt seine Wünsche sind, Sie erheben keinerlei Einwände. Wer hier rummäkelt, der zieht nur die Aufmerksamkeit des Vorgesetzten auf sich. Dann erwerben Sie schnell den fatalen Ruf, ein Bremser und Bedenkenträger zu sein. “Geht nicht, gibt’s nicht”, heißt die Devise, die alle Jasager-Spieler verinnerlicht haben. Denn sie gilt ja nur für Phase eins. Kritische Einwände haben hier nichts zu suchen. Sie würden Ihrem Vorgesetzten damit seine Kompetenz absprechen und ihn damit verärgern.
Übrigens: Versierte Jasager-Spieler erheben nicht nur keinen Einspruch, sie bestärken ihren Vorgesetzten vielmehr in seinen “Visionen”. Denn sie wissen, dass er genau so gesehen werden möchte. Sie finden es “großartig”, dass sie sich dieser ” spannenden Herausforderung” stellen dürfen und ernten missgünstige Blicke ihrer Kollegen, die ahnen, dass die Jasager wieder einmal gepunktet haben. Es gibt Vorgesetzte, die nach solchen Vorbesprechungen euphorisch unter der Decke schweben, auch wenn sie unbestimmt ahnen, dass es das ein oder andere Problem bei der so genannten “Umsetzung” geben könnte.
Die Umsetzungsphase
Sollen nun die mehr oder weniger hochfliegenden Pläne in die Tat umgesetzt werden, schlägt Ihre Stunde. Jetzt können Sie Ihren eigentlichen Einfluss geltend machen. Sie tun das, was Sie für richtig halten, auch wenn Sie dabei mitunter sehr stark von dem abweichen, was Sie mit Ihrem Vorgesetzten besprochen hatten. Es geht nun mal nicht anders. Das können Sie Ihrem Vorgesetzten gegenüber schlüssig begründen. Oder aber Sie können darauf vertrauen, dass Ihr Vorgesetzter Ihre Abweichungen ohnehin nicht bemerkt, weil er mittlerweile ganz andere Sorgen hat. Vielleicht bemerkt er sie auch, aber er nimmt sie einfach hin, weil die Sache im Großen und Ganzen noch immer in Ordnung geht.
Die Fähigkeiten, die in dieser zweiten Phase gefragt sind, unterscheiden sich deutlich von denen in Phase eins. Nun spielen Sie Ihre Macht aus, handeln nach Ihrem Willen und müssen zudem in der Lage sein, Ihr Handeln zu rechtfertigen. Warum haben Sie sich so verhalten, obwohl doch etwas anderes besprochen war? Versierte Jasager können eine ganze Palette stichhaltiger Gründe herunterbeten: Der Kunde hat sich umentschieden, es gab Lieferschwierigkeiten, Softwareprobleme, ein Mitarbeiter ist erkrankt, ein Experte hat gelogen. Zur Not müssen Sie auch mal einen Fehler einräumen – selbstverständlich im Bemühen, das ehrgeizige Ziel zu erreichen, das Sie vereinbart hatten.
Das eigene Handeln abschirmen
Eine ganz wichtige Voraussetzung, damit das Spiel gelingt, ist folgende: Sie müssen Ihr eigenmächtiges Handeln zumindest zeitweise abschirmen können. Es ist völlig undenkbar, dass Sie vor den Augen Ihres Chefs einfach das tun, was Sie für richtig halten. Dann bekommen Sie natürlich sofort Ärger. Das sollte Ihnen während eines Meeting-Marathons Ihres Chefs, diversen Vertriebsterminen oder Geschäftsreisen jedoch nicht zu schwer fallen. Und auch wenn er gelegentlich einmal hereinschaut, um zu fragen, wie es läuft, haben Sie sicher wenig Schwierigkeiten mit dem Abschirmen und Vernebeln. Sie wissen, was Ihr Chef hören will, auf welche Worte er anspringt, welche Namen fallen müssen. Und genau das bekommt Ihr Chef auch zu hören.
Vorgaben verfehlt?
Natürlich ist es ungünstig, wenn Sie das Ziel, das Ihr Vorgesetzter vorgegeben hat, nicht erreichen. Dennoch ist es psychologisch interessant, dass der Vorgesetzte oft erstaunlich milde urteilt, wenn es darum geht, die Leistung zu bewerten – vielleicht weil der Mitarbeiter seinen Willen so bedingungslos zu unterstützen schien. Es ist ein bisschen so, als wäre der Vorgesetzte selbst gescheitert. Und für das eigene Scheitern lassen sich bekanntlich immer die einleuchtendsten Gründe finden.
Es liegt eine gewisse Ironie darin, dass der Mitarbeiter mit einem wesentlich kritischeren Urteil rechnen müsste, wenn er in Phase eins seine Bedenken vorgetragen hätte, die ja nur allzu berechtigt sein mochten. “Sie haben von vornherein nicht an den Erfolg geglaubt”, tadelt der Vorgesetzte. “Da musste die Sache ja schief gehen.”
Erfolg durch Abweichung
Doch natürlich kann die Sache auch gelingen – mehr oder weniger eindrucksvoll. Dann steht der Erfolg im Vordergrund und Sie können mit einem positiven Urteil rechnen, auch wenn Sie ein wenig von den Vorgaben abgewichen sind. Das zählt jetzt kaum noch, wenn es überhaupt jemandem auffällt. Entscheidend ist nur, dass Sie sich nicht gerade über einen Punkt hinweggesetzt haben, auf den Ihr Chef besonderen Wert legt. Doch wenn Sie Ihren Vorgesetzten kennen, sollte Ihnen solch ein Anfängerfehler nicht unterlaufen.
Gefahren für Sie
Manche Vorgesetzte haben eine ausgesprochene Abneigung gegen Jasager, die dann doch machen, was sie wollen. Sie nehmen sie daher besonders eng an die Leine und passen auf, dass von ihren Anweisungen nicht abgewichen wird. Außerdem trauen sie ihren Mitarbeitern nicht, wenn sie zu allem nur ja und amen sagen. Sollte es deswegen zu einer Konfrontation kommen, sprechen Sie offen und ehrlich mit Ihrem Chef. Denn wenn er ein offenes Ohr für Einwände entwickelt und ein vertrauensvolles Verhältnis zu Ihnen aufbaut, ist das Jasager-Spiel ohnehin überflüssig.
Quelle: Matthias Nöllke: Machtspiele. Die Kunst, sich durchzusetzen.