Sie können sie nicht sehen, hören, schmecken oder riechen. Trotzdem bestimmt sie in vielen Dingen Ihren Alltag: Macht. Das ist auch gut so. Ohne Machtstrukturen würde Ihr Unternehmen genauso wenig funktionieren wie unsere Gesellschaft. Schwierig wird es aber, wenn Menschen ihre Macht missbrauchen. Gerade im Berufsleben sind Machtspiele leider keine Seltenheit. Doch egal, ob im Verhältnis zu Vorgesetzten oder unter Kollegen – Sie sollten sich nicht darauf einlassen. Denn unfaire Taktiken vergiften das Betriebsklima und machen die Zusammenarbeit mit anderen auf Dauer unmöglich. Der wichtigste Schritt, um dagegen vorzugehen: Lernen Sie, die verschiedenen Strategien zu erkennen.
Macht – was ist das?
Wer von Macht spricht, meint häufig Machtmissbrauch. Doch was ist Macht eigentlich? Macht bezeichnet die Fähigkeit, auf andere Menschen oder auch auf Gruppen von Menschen im eigenen Sinne einzuwirken.
Sofern z. B. Informations-, Wissens- oder Belohnungsmacht ausgenutzt werden, um andere Menschen zu Handlungen zu bewegen, die sie eigentlich nicht wollen, spricht man von Machtspiel oder Machtdemonstration. Während Manipulationen zumeist verdeckt und hinterhältig durchgeführt werden, sind unfaire Taktiken zumeist deutlich sichtbar oder zumindest erkennbar.
Direkte Konfrontation als Machtstrategie
In der direkten Konfrontation will jemand Sie mit fairen oder unfairen Mitteln zwingen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Er kann dabei auf Techniken setzen, die dazu geeignet sind, Sie oder andere zu überzeugen, oder Sie schlicht und einfach unter Druck zu setzen. Typische Elemente dieser Strategie sind:
- Persönliche Angriffe
- Emotionen schüren, um die Gegenseite zu verunsichern
- Zeitdruck erzeugen, z. B. in Verhandlungen
- Auf der eigenen Position beharren
- Rhetorische Überlegenheit demonstrieren, z. B. durch (Verhandlungs- oder Einwandbehandlungstricks)
- Die eigene Autorität ausspielen
- Offene Manipulation: Schmeicheln, Eitelkeiten ausnutzen, Gruppenmitglieder gegeneinander ausspielen
Diese Machtstrategie führt auf der Gegenseite zu Druck, Angst, Unruhe und infolgedessen zu Fehlern und Unsicherheiten. Wer sie in Verhandlungen einsetzt, hofft darauf, die Gegenseite damit in eine defensive Position zu bringen.
Auch Blockade kann ein Machtspiel sein
Während die oben genannte Strategie eingesetzt wird, um ein Ergebnis zu erzielen, ist die Blockadestrategie darauf ausgerichtet, ein Ergebnis zu verhindern. Elemente dieser Strategie sind:
- Grundsätzlich dagegen sein
- Tatsachen bestreiten
- In der Argumentation des anderen nach Widersprüchen suchen
- Stress erzeugen
- Fachausdrücke/Fremdwörter verwenden, um zu verwirren
- Angriffe und Provokationen gegen Personen, Strukturen, Prozesse
- Nicht verstehen wollen
- Ausweichen, sich hinter dubiosen Regeln verstecken
- Absichtliches Missverstehen
Blockade ist ein rein destruktives Verhalten. Im Grunde liegt demjenigen, der blockiert, nicht an einer Lösung. Diese Taktik muss noch nicht einmal in aggressiver oder offensiver Form durchgeführt werden. Dies kann auch ganz ruhig und scheinbar völlig sachlich geschehen.
Hinterhältige Machtspiele
Im Gegensatz zur Blockadestrategie will hier jemand durchaus etwas erreichen. Allerdings durch Lüge, Hinterhältigkeit und zum Teil offene Manipulation. Elemente dieser Technik sind:
- Einsatz unlauterer rhetorischer Techniken (Verhandlungstricks)
- Bewusster Einsatz von Verhandlungstechniken wie z. B. “Good guy, bad guy”
- Scheinbar positives und freundliches Einlullen der Gegenpartei
- Aufmachen von Nebenkriegsschauplätzen oder anderen Themenfeldern
- Bewusst auf Zeit spielen, ohne dabei destruktiv zu wirken
Diese Strategie ist weniger angreifbar als die beiden anderen, zuvor genannten. Der Grund: Wenn Sie einem konfrontativ auftretenden Gegner einen Spiegel vorhalten wollen, müssen Sie hier die Techniken aufdecken. Denn die Gegenseite verhält sich ja scheinbar positiv. Diese Machtspiele müssen nicht im Rahmen einer Sitzung oder Verhandlung auftreten. Sie können auch das generelle Verhalten einer Person über einen langen Zeitraum kennzeichnen, also das prinzipielle Vorgehen.
Abwehrtechniken gegen Machtspiele
Auch hier gilt: Das Erkennen der Strategie ist der erste Schritt. Denn diese Strategien funktionieren im Grunde nur, wenn Sie darauf eingehen, wenn Sie also z. B.
- auf persönliche Angriffe reagieren,
- sich unter Zeitdruck setzen lassen oder
- es zulassen, dass Nebenkriegsschauplätze aufgemacht werden.
Folgende Vorgehensweisen können Ihnen dabei helfen, mit Machtspielen umzugehen, wenn Sie sie erkannt haben:
- Fragen stellen: Fragen sind ein scharfes Schwert. Die bekannten W-Fragen (“Was genau …”, “Wie genau …”, “Warum …”, “Wie kommen Sie auf …”) können Sie gezielt einsetzen, um Sachverhalte auf den Punkt zu bringen und Techniken wie Dagegensein oder Nebenkriegsschauplätze auszuhebeln.
- Versachlichen: Durch Fragen und Nachfragen, durch aktives Zuhören (“Wenn ich Sie richtig verstanden habe …”, “Denken Sie, dass …”) können Sie Emotionen herausnehmen oder persönliche Angriffe entschärfen.
- Ignorieren: Nicht einfach, aber wirkungsvoll. Gerade persönliche Angriffe, aber auch Strategien wie “Good guy, bad guy” verpuffen so wirkungslos.
- Metaebene einnehmen: Hier treten Sie quasi aus der Situation heraus und sprechen über die Lage. Z. B. indem Sie das Verhalten der Gegenseite und Ihr eigenes Verhalten so beschreiben, wie es ein Außenstehender tun würde.
aus: Boris von der Linde/Svea Steinweg: Psychologie für den Beruf