Der Arbeitstag ist lang und hart. Ein Gläschen in Ehren kann da nicht schaden, oder? Ob vor, während oder nach dem Job: Wer viel arbeitet, trinkt oft gefährlich viel Alkohol, das hat eine wissenschaftliche Studie bewiesen. Haben auch Sie als Sekretärin und Assistentin den Verdacht, dass ein Kollege oder Ihr Chef zu viel trinkt? So erkennen Sie Alkoholmissbrauch.
Forscher des Finnish Institute of Occupational Health haben herausgefunden, dass Arbeitnehmer, die in der Woche mehr als 50 Stunden arbeiten, ein 11 bis 13 Prozent höheres Risiko für Alkoholmissbrauch haben, als Kollegen, die jeden Tag pünktlich Feierabend machen.
Verblüffend ist, dass weder Geschlecht, noch Alter, Herkunft oder sozialer Stand über den Griff zur Flasche entscheiden und die Sucht sowohl Chefs wie Mitarbeiter trifft. Diese Zahlen sind besorgniserregend. Statistisch gesehen ist Alkoholmissbrauch schuld an zehn Prozent aller tödlichen Betriebsunfälle.
Normal oder Sucht? Der Übergang ist fließend
Ob der Kollege ein echtes Alkoholproblem hat oder “nur” gern feiert, lässt sich nicht sofort bestimmen. Prinzipiell gilt:
- “Normal” ist jedes Verhalten, das weder Gesundheit, Arbeitsleistung, soziale Kontakte noch Psyche belastet.”Missbrauch” beginnt, sobald die Gesundheit geschädigt wird, soziale und psychische Probleme auftauchen und das Suchtmittel gezielt für die Alltagsbewältigung eingesetzt wird.
- “Sucht” besteht, wenn die Anforderungen des Lebens ohne Suchtmittel scheinbar nicht mehr bewältigen werden können, wenn Entzugserscheinungen auftreten, wenn die Person die Kontrolle über ihr Trinkverhalten verliert und gesundheitliche Schäden in Kauf nimmt.
Besonders in der Anfangsphase kann die Gefahr einer Alkoholkrankheit oft noch abgewendet werden.
Alarmsignale des Alkoholmissbrauchs
Bemerken Sie zum Beispiel, dass ein Kollege immer öfter mit einer deutlichen Fahne im Büro erscheint, sollten Sie in den nächsten zwei Monaten auf diese Auffälligkeiten achten:
Die Person meldet sich auffällig oft krank und
- fehlt an einzelnen Tagen (oft am Montag).
- lässt sich durch Dritte (etwa den Ehepartner) entschuldigen.
- fehlt ohne Grund während der Arbeitszeit.
Die Person verändert ihr Verhalten und
- zeigt starke, unerklärliche Stimmungsschwankungen.
- ist einerseits übermäßig nervös, gereizt und aggressiv oder andererseits gesprächig, gesellig und mitteilungsbedürftig.
- überschätzt sich einerseits weit über alle Maßen und zeigt andererseits deutliche Minderwertigkeitsgefühle.
Die Person entwickelt eine besondere Beziehung zu Alkohol und
- trinkt schnell, in tiefen Zügen und isst dazu wenig oder nichts.
- trinkt trotz Führerscheinentzug oder Problemen am Arbeitsplatz.
- reagiert auffällig gereizt, wenn sie auf Alkohol angesprochen wird.
- spielt die Trinkmenge und Häufigkeit herunter.
- greift auch in der Mittagspause, zu unpassenden Anlässen und/oder heimlich während der Arbeitszeit zur Flasche.
- erfindet immer wieder neue Ausreden für den Griff zur Flasche.
Die Arbeitsqualität ändert sich und
- die Person erscheint zu spät am Arbeitsplatz.
- die Leistung schwankt oder lässt nach.
- die Person kann sich immer schlechter konzentrieren.
- die Person verliert das Interesse an der Arbeit und an ihren Kollegen.
Das Äußere verändert sich und
- die Person benutzt auffallend oft Pfefferminz-Kaugummi, Mundsprays oder viel Parfum, um die Alkoholfahne zu überdecken.
- Kleidung und Körperpflege werden vernachlässigt.
- Gesicht und Augen sind rot, die Haut aufgedunsen.
- die Hände zittern stark, die Person schwitzt auffällig.
Wenn sich Ihr Verdacht bestätigt, sollten Sie handeln
Bevor Sie sich an Ihren Chef wenden, sollten Sie zunächst mit der betroffenen Person unter vier Augen sprechen:
- Erklären Sie, dass Sie sich nicht in das Privatleben einmischen möchten.
- Betonen Sie die Gefahren und Konsequenzen (zum Beispiel verringerte Arbeitssicherheit).
- Belegen Sie Ihre Beobachtungen mit Datum und Zeit.
- Empfehlen Sie den Gang zu einer Vertrauensperson und nennen Sie Kontaktadressen für Hilfsangebote und Selbsthilfegruppen (wie die Anonyme Alkoholiker – Interessengemeinschaft e.V. www.anonyme-alkoholiker.de oder A-Connect e.V. www.a-connect.de).
- Bleiben Sie diskret und sprechen Sie mit keinem anderen über das Thema.
Bestehen die Probleme unverändert auch Wochen nach Ihrem Vier-Augen-Gespräch, sollten Sie sich an Ihren Chef und/oder den Betriebsrat wenden.
Der Chef als Alkoholiker? Sprechen Sie das sensible Thema an
Es ist leider Fakt: Ein alkoholkranker Chef ist für seine Mitarbeiter ein großes Problem. Wegschauen und Schweigen schadet letztlich Ihnen und allen Kollegen. Pflegen Sie eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit mit Ihrem Chef, dann sollten Sie ihn – wie eben beschrieben – darauf ansprechen.
Ändert sich nichts bzw. ist Ihr Chef-Verhältnis getrübt, sollten Sie den Betriebsrat oder hauseigene Vertrauens-Einrichtungen oder externe Suchtberatungsstellen einschalten.