Nach wie vor arbeiten überwiegend Frauen als Sekretärinnen oder Assistentinnen. Torsten März ist staatlich geprüfter Fremdsprachensekretär und einer der wenigen männlichen Sekretäre in Deutschland. Wie arbeitet es sich denn so, allein unter Frauen?
Torsten März
ist staatlich geprüfter Fremdsprachensekretär und arbeitet seit 16 Jahren in der Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank AG, unter anderem für die Chefvolkswirte Norbert Walter und Thomas Mayer sowie für den Global Chief Investment Officer Ulrich Stephan, der mit seinem Newsletter „Perspektiven am Morgen“ einem größeren Publikum bekannt ist. Zuvor war er 6 Jahre für die Knoll AG, eine Tochter im BASF-Konzern, tätig.
Torsten März sagt, man müsse diesen Beruf lieben oder man solle ihn sein lassen. Man sollte es mögen, mit Persönlichkeiten zu arbeiten, aber dennoch im Hintergrund zu bleiben und unsichtbar zu sein. Das Wort „Sekretär“ kommt nicht von ungefähr vom lateinischen Begriff „secretum“ (= Geheimnis).
sekretaria Magazin: Herr März, wie sind Sie eigentlich zum Sekretariatsberuf gekommen?
Torsten März: Eigentlich wollte ich Bäcker werden, denn ich habe schon als Jugendlicher leidenschaftlich gern gebacken. Aber nach einem Praktikum wurde mir schnell klar: Von 2.00 Uhr bis 11.00 Uhr morgens zu arbeiten, das ist einfach nichts für mich. Aber ich backe heute noch gern und bringe immer wieder einen Kuchen für meine Kollegen mit ins Büro. Wer mit mir zusammenarbeitet, muss also nicht hungern.
Eines Tages las ich eine Anzeige in der Zeitung, dass noch Plätze für den Ausbildungszweig „staatlich geprüfter Fremdsprachensekretär“ an einer Schule in Bensheim frei sind. Das weckte mein Interesse: eine kaufmännische Ausbildung mit Fremdsprachen. Ich habe mich daraufhin bei der Schule beworben und wurde auch genommen. Die zweijährige Ausbildung war damals sehr anspruchsvoll und der Stoff ziemlich komprimiert: Wirtschaftsfranzösisch, Wirtschaftsenglisch, BWL, Rechnungswesen, Textformulierung und vieles mehr, zum Beispiel noch Stenografie in zwei Sprachen. Auch wenn heute viele gar nicht mehr wissen, was die Kurzschrift Stenografie ist, benutze ich sie noch immer. Ich hatte schon Chefs am Telefon, die nur 60 Sekunden Zeit hatten, um zu telefonieren, und in solchen Situationen ist Stenografie natürlich eine große Erleichterung. Ich kann dadurch jedes Wort mitschreiben und keine Information geht verloren.
Wie verlief Ihre berufliche Laufbahn nach der Ausbildung?
Bevor ich zur Deutschen Bank kam, arbeitete ich in verschiedenen kleineren Unternehmen als Exportsachbearbeiter und kaufmännischer Angestellter. Der Vorteil in kleineren Unternehmen ist, dass man alles machen muss – vom Kopieren über die Buchhaltung bis hin zum Verkauf und zur Beratung von Kunden am Telefon. Ich habe auch 5 Jahre als Sachbearbeiter im BASF-Konzern in der Nicht-klinischen Report-Gruppe der Knoll AG gearbeitet. Hier ging es darum, behördlich relevante Dokumente zu bearbeiten. Dort war ich auch stellvertretender Leiter. Dennoch wollte ich mich verändern. Ich gab ein kleines Inserat in der FAZ auf „Fremdsprachensekretär sucht …“. Daraufhin meldete sich sofort eine Personalberaterin, die mich zum bekannten Chefvolkswirt der Deutschen Bank vermittelte, Norbert Walter. Ich muss heute noch lachen, wenn meine ehemalige Kollegin erzählt. Sie ging damals zu Norbert Walter und sagte: „Wir haben eventuell jemanden gefunden, aber es gibt da ein Problem.“ Walter muss ganz seltsam auf diese Aussage reagiert haben und fragte: „Was denn für ein Problem?“ Meine Kollegin sagte zögerlich, als würde sie ihm das Ende der Welt verkünden: „Es ist ein Mann!“ Aber Walter war das egal, solange die Arbeit gemacht wurde. Wir verstanden uns auf Anhieb und ich blieb neun Jahre bei ihm – bis zu seiner Pensionierung. Es war wahrscheinlich die aufregendste und interessanteste Stelle, die ich je hatte.
Wie hat Ihr Umfeld, Ihr Freundeskreis etc. reagiert, als Sie den Sekretariatsberuf gewählt haben? Er wird ja noch zu 95 Prozent von Frauen abgedeckt
Meine Umwelt hat damals nicht seltsam reagiert und in meinen Augen war es einfach nur eine kaufmännische Ausbildung. Aber ich muss schon zugeben, dass es zunächst etwas komisch war, mit 3 Männern und 20 Frauen in einer Ausbildungsklasse zu sitzen.
Wurden Sie eher bevorzugt oder benachteiligt? Welches Feedback gab es?
Als Mann in diesem Beruf zu arbeiten hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Nicht jeder Chef möchte einen Mann als Assistenten – aus welchen Gründen auch immer. Auf der anderen Seite: Einmal hatte ich ein Angebot von einer öffentlichen Person, die insbesondere nach einem männlichen Assistenten suchte. Die Person wollte zum einen vermeiden, mit einer weiblichen Person fotografiert zu werden, und meinte zum anderen, einem männlichen Assistenten schwerere Aufgaben übergeben zu können als einer Frau.
Kommunizieren Chefs mit einem männlichen Assistenten anders als mit weiblichen?
Über Kommunikation kann man viele Bücher schreiben und das wurde ja auch schon getan. Ich habe es bisher so wahrgenommen, dass die Kommunikation viel öfter situationsabhängig ist und eher von den zusammenarbeitenden Menschen abhängt, als dass sie geschlechterspezifisch ist.
Was mögen Sie besonders in Ihrem Beruf?
Ich hatte das große Glück, immer mit interessanten Persönlichkeiten zu arbeiten. Außerdem liebe ich es, international tätig und mit der ganzen Welt verbunden zu sein.
Arbeiten Sie lieber mit Männern oder Frauen zusammen?
Ich hatte bis jetzt nur eine Chefin. Sie war Anwältin und musste eine neue Abteilung in der Deutschen Bank aufbauen, die es vorher noch nicht gab. Ich fand es aufregend, zum ersten Mal mit einer Chefin zusammenzuarbeiten und natürlich dabei zu sein, wenn so viel Neues entsteht. Man hat plötzlich das Gefühl, in einer anderen Firma zu sein – aber es ist auch belebend und es macht einfach Spaß, bei null anzufangen. Und natürlich hatte sie durch mich einen großen Vorteil: Ich kenne die Bank in- und auswendig. Ich habe auch gelernt, dass es bestimmt nicht so einfach für eine Frau ist, in einer Männerwelt zu bestehen, da viele bei Frauen auf alles achten. Das fängt schon bei der Kleidung an, während ein Mann jeden Tag mit einem grauen Anzug ins Büro kommen kann, ohne bemerkt zu werden.
Wie hat sich der Beruf des Sekretärs über die Jahre verändert?
Ich weiß nicht mehr, wie wir früher ohne E-Mails gearbeitet haben – wahrscheinlich haben wir mehr telefoniert. Ich erinnere mich noch an Zeiten, da lagen jeden Morgen 50 Briefe im Postkorb, die man erstmal lesen musste. Jetzt überfliegt man morgens E-Mails. Ich erinnere mich natürlich noch an Anrufe von meinem Chef: „Ich stehe mit meinem Wagen auf der Sauerlandlinie, dort ist Stau, wie komme ich ganz schnell zu meiner Vortragsveranstaltung?“ Heute würden wir ganz schnell in Google schauen und hätten die Antwort in 30 Sekunden, damals mussten wir erst einmal den Weltatlas rausholen.
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Welche Entwicklungschancen sehen Sie für einen Assistenten?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. So unterschiedlich meine Chefs waren, so unterschiedlich waren auch die Anforderungen. Bei dem einen ging es mehr um das übliche Büromanagement, ein anderer legte mehr Wert auf inhaltliche Mitarbeit. Ich habe immer verschiedene Kurse bei Sekretariatsverbänden besucht, um mich weiterzubilden. Aber die Anforderungen im Assistenzberuf sind teilweise schon sehr unterschiedlich. Vor vielen Jahren sah ich eine interessante Stellenausschreibung für eine Stelle in Dubai. Ein Scheich suchte einen persönlichen Assistenten. Alles passte und ich wollte mich schon bewerben, bis ich den Satz las: „Bewerber, die ein Kleinflugzeug fliegen können, werden bevorzugt.“
Wie entspannen Sie nach einem stressigen Tag?
Ich besuche immer wieder Yoga- und Meditationskurse in Frankfurt. Ich versuche, mich auf den Atem zu konzentrieren. Es gibt viele Übungen in diesem Bereich, um wieder neue Energie zu bekommen. Manchmal fahre ich auch mit einer Kollegin eine Woche in das Kloster Gerode und mache dort eine Woche „Work & Study“. Wir arbeiten dann vier Stunden am Tag im Klostergarten. Bei der Gartenarbeit vergesse ich einfach alles und konzentriere mich nur auf das Hier und Jetzt. Darüber hinaus bin ich auch Mitglied bei der Deutsch-Französischen Gesellschaft. Hier werde ich oft zu Veranstaltungen, zum Beispiel zu Chanson-Abenden, Kino-Vorpremieren oder philosophischen Lesungen in französischer Sprache eingeladen. Diese Abende sind immer etwas ganz Besonderes für mich.
Glauben Sie, dass der typische Sekretariatsberuf aussterben wird?
Ich erinnere mich noch an meinen ersten Chef vor 23 Jahren. Der prophezeite mir schon damals „In drei Jahren wird es diesen Beruf nicht mehr geben!“ – und es gibt ihn immer noch. Aber natürlich wird und muss sich alles ändern. Es gibt viele Frauen, die „Sekretärin“ im Arbeitsvertrag stehen haben, aber viele Zusatzaufgaben übernehmen. Ich bin nebenbei bei der Deutschen Bank für das „Business Continuity Management“ meiner Abteilung verantwortlich und Datenschutzbeauftragter. Auf jeden Fall sollte man nicht stehen bleiben und, wenn man kann, offen sein für alles. Man sollte versuchen, sich in andere Themen einzuarbeiten, und Weiterbildungskurse besuchen. Außerdem gibt es mittlerweile viele Online-Foren, in denen man sehr viel erfährt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Tanja Bögner.