„Chief of Staff“ – diese Berufsbezeichnung ist immer häufiger in Stellenausschreibungen zu finden. Welche Aufgaben übernimmt eine Chief of Staff? Welche Herausforderungen und Chancen bietet die Position? sekretaria hat mit Katrin Stigge gesprochen, die als Erste eine deutschsprachige Weiterbildung für Assistenzen zur Chief of Staff anbietet.
Katrin Stigge
begleitet als Business-Mentorin und Sparringspartnerin Assistenzen und Führungskräfte dabei, sich in ihrem beruflichen Alltag im Unternehmen als zielgerichtete Zukunftsgestalter, Vorwärtsmacher und Wertschätzer weiterzuentwickeln, zu zeigen und klar zu positionieren. Sie unterstützt sie dabei, ihrer Einzigartigkeit und Vielseitigkeit zu vertrauen und damit ihren persönlichen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens und zur Unternehmenskultur zu leisten.
Katrin Stigge hat im Mai 2021 ihre eigene Akademie ANIMARTES eröffnet. Zu ihren Angeboten gehören die Weiterbildung zur Chief of Staff, Master-Classes, Train-the-Trainer und Online-Kurse sowie ihre Business-Mentorings.
mail@katrinstigge.com und www.katrinstigge.com
sekretaria Magazin: Frau Stigge, was verbirgt sich hinter der Bezeichnung „Chief of Staff“?
Katrin Stigge: Die Stellenbezeichnung „Chief of Staff“ kommt aus dem amerikanischen Militär. Übersetzt würde sie „Stabschef“ heißen. Ich würde allerdings lieber bei „Chief of Staff“ bleiben oder bei „Referentin der Geschäftsleitung“. Die Rolle der Chief of Staff ist derzeit wohl eine der gefragtesten und am wenigsten verstandenen in den Führungsetagen.
Was macht eine Chief of Staff?
Der Einflussbereich einer Chief of Staff erstreckt sich über das gesamte Unternehmen. Eine Chief of Staff bietet eine strategische Denkpartnerschaft und ist Sparringspartnerin für den CEO und unterstützt damit dessen Wirksamkeit. Es gehören die Leitung funktionsübergreifender strategischer Initiativen und die Unterstützung von Sonderprojekten dazu – wie auch die Bereitstellung von Analysen, Empfehlungen und Optionen für den CEO in Bezug auf Entscheidungen mit großer Tragweite.
Das heißt, es geht weniger um das Operative, sondern mehr um das Strategische?
Grundsätzlich ja. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Die Assistenz arbeitet im Jetzt, operativ, organisiert und koordiniert. Die Chief of Staff arbeitet strategisch und taktisch, ist auf die Zukunft ausgerichtet und holt die Strategie auf die Erde. Beide Rollen halten dem CEO auf unterschiedliche Weise den Rücken frei und unterstützen ihn in seiner Wirksamkeit.
Wenn wir uns ein klassisches Organigramm von Unternehmen ansehen, wo wäre da eine Chief of Staff angesiedelt?
Eine Chief of Staff gehört keinem der Unternehmensbereiche wie zum Beispiel dem Marketing, HR oder Finance an, sondern agiert auf Geschäftsleitungsebene und hat somit die gesamte Organisation im Blick.
Wie wird man denn Chief of Staff?
Diese Rolle wird aus zwei unterschiedlichen Richtungen, das heißt mit unterschiedlichen Profilen besetzt. Entweder hat der Bewerber oder die Bewerberin studiert und bereits mehrere Jahre Berufserfahrung. Oder er oder sie war zuvor als Executive Assistant tätig, als ambitionierte Assistenz, ebenfalls mit mehreren Jahren Berufserfahrung. Es gibt keinen klassischen Weg in diese Position. Es gibt mehrere. Die Rolle gehört klar zu den neuen Berufsbildern in Europa.
LEKTÜRE
Lesen Sie mehr über die Global Skills Matrix der World Administrators Alliance in der Mai-Ausgabe des sekretaria-Magazins!
Bevor man sich für diese Rolle entscheidet, sollte man sich gut informieren, was sie gibt und was sie fordert. Die Global Skills Matrix (GSM) der World Administrators Alliance bietet dafür eine großartige Grundlage. Dort sind sowohl die Verantwortungsbereiche der Assistenzen als auch die der Chief of Staff auf verschiedene Level heruntergebrochen und mit den Fähigkeiten aufgelistet, die jeweils dahinterstecken.
Was sind die wesentlichen Skills? Strategisches Denken wurde schon genannt. Was kommt noch dazu?
In meinen Augen braucht es eine erfahrene Persönlichkeit, die authentisch, mutig und ehrlich agiert. Es gehört unternehmerisches Denken dazu, präsente Kommunikation sowie Projektmanagement- und Facilitation-Skills. Die Rolle erfordert eine gewisse Reife, wenn es zum Beispiel darum geht, die Vision klar vor Augen zu haben, schnelle Entscheidungen zu treffen oder anspruchsvolle oder paradoxe Situationen auszuhalten. Zentral ist die Fähigkeit zu reflektieren und die Bereitschaft zu lernen und zu wachsen.
Kommen wir zu den Rahmenbedingungen einer solchen Position. Wie sieht es grundsätzlich aus? Ein Nine-to-five-Job ist das eher nicht, oder?
Nein, das ist es auf keinen Fall. Ich würde sagen, dass kein Job in der Geschäftsleitung ein Nine-to-five-Job ist. Es ist das sogenannte „Zentrum der Macht“ und das fordert einiges. Ihre Frage ist sehr relevant, denn jede, die sich für diese Rolle interessiert, sollte sich darüber im Klaren sein.
Sehr anspruchsvoll und sehr fordernd – wie schlägt sich das im Gehalt nieder?
Bei der Bestimmung von Gehältern müssen verschiedene Faktoren angeschaut werden: Wird die Stelle mit jemandem besetzt, der studiert hat? Oder mit jemandem ohne Studium? Wie viel Erfahrung bringt die Person mit? Es kommt auf das Unternehmen an, auf die Branche, das Land bzw. die Region oder Stadt. Um welche Inhalte handelt es sich? Welchen Impact hat die Stelle und welche Verantwortung wird damit übernommen?
Ich zögere ein bisschen, beim Gehalt eine konkrete Angabe zu machen. Es gibt sowohl in Europa als auch in Deutschland und der Schweiz eine „Range“ von ca. 110.000 Euro bis über 200.000 Euro im Jahr. Aus meiner ganz persönlichen Sicht sollte das Jahresgehalt bei 110.000 bis 140.000 Euro beginnen. Gerade aus der Rolle der Assistenz kommend gilt es zu schauen, in welche Richtung sich das Ganze entwickeln kann.
Was sind das für Unternehmen, die momentan solche Stellen ausschreiben? Sind das die großen Konzerne, der Mittelstand oder Start-ups?
Überwiegend sind es Konzerne, große Firmen, die die Rolle aus ihren Standorten in den USA kennen. Aber auch im Mittelstand tut sich einiges, wenn es sich zum Beispiel um Marktführer handelt, die in die Zukunft schauen und fragen, was die Trends sind, die über den großen Teich kommen. In Start-ups ist anfangs noch sehr viel Freestyle, da ist es vermutlich sinnvoller, mit einer engagierten Assistenz zu starten. Aber auch da braucht es eine Chief of Staff, wenn zum Beispiel Prozesse eingezogen und alles strukturierter angegangen werden muss. Da ist eine Chief of Staff voll in ihrem Element. Und das spiegelt sich in den Stellenausschreibungen wider. Gerade die Start-up-Szene schreibt die Stellen sehr offen aus. Da steht nicht mehr drin: „Sie müssen das und das studiert haben.“ Die sind viel freier.
Es sind übrigens jetzt genau die Vorgesetzten in diesen Unternehmen, die ihre Assistenzen unterstützen und ermutigen, die Weiterbildung zur Chief of Staff zu machen. Sie sehen das Potenzial und geben Raum und Möglichkeit.
Die Rolle der Chief of Staff ist für die Assistenzen interessant, die aus ihrer Rolle herausgewachsen sind, mehr Verantwortung übernehmen wollen und bereit sind, zu lernen, zu wachsen und zu gestalten. Mut lohnt sich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Cordula Natusch. Sie ist Chefredakteurin des sekretaria-Magazins, freie Texterin und Redakteurin für Unternehmenskommunikation sowie Bloggerin bei www.arbeiten-im-sekretariat.de.
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