Wie Sie mit Karrierebrüchen konstruktiv umgehen

Frau im Business-Kostüm und Baby im Kinderwagen
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Karrierebrüche können doch kaum etwas Positives sein, oder? Schließlich bedeutet „Bruch“, dass etwas kaputtgegangen, nicht mehr intakt ist. In diesem Fall also eine klassische Karriere, die wie eine gerade Linie oder wie eine Abfolge von Treppenstufen zuvor nur eine Richtung kannte: aufwärts! Doch ein Karrierebruch birgt auch Chancen.

Was wir mit einem Karrierebruch verbinden

Wenn es nach einer schönen Aufwärtsbewegung beruflich dann auch mal seitwärts, abwärts oder ganz woandershin geht, wird das als irritierend, eben als Bruch empfunden. Deswegen stehen Menschen, die einen solchen „Andersweg“ in ihrem Lebenslauf haben, oft unter einem gewissen Rechtfertigungsdruck – anderen, zum Beispiel Personalern, Chefs, Kollegen und Kolleginnen, und auch sich selbst gegenüber. Aber ist das heute noch zeitgemäß? Ist es sinnvoll? Oder einfach eine Fehleinschätzung?

Die klassische Karriere ist auf dem Rückzug

In mittelständischen Unternehmen gibt es auch heute noch Menschen, die einst als Azubi angefangen und sich bis in die Geschäftsführung hochgearbeitet haben. Und wer nach der Schule eine Ausbildung im öffentlichen Dienst beginnt, wird höchstwahrscheinlich sein weiteres Berufsleben lang dort bleiben, gegebenenfalls verbeamtet werden und weitgehend vorhersehbare Beförderungen erleben.

Umstrukturierungen bringen neue Karrierewege hervor

Ansonsten ist die Zeit planbarer Karrieren aber spätestens seit den Nullerjahren vorbei, seit die große Globalisierungswelle und die sich immer weiter beschleunigende Digitalisierung die Unternehmen dazu zwingen, sich laufend neu aufzustellen, um- und neu zu strukturieren.
So manche Führungskraft, die sich von der Teamleitung in die Abteilungsleitung hochgekämpft und schon ein Auge auf die Bereichsleitung geworfen hat, findet sich plötzlich auf einer niedrigeren hierarchischen Position oder gar auf der Entlassungsliste wieder.

Das wirkt sich oft auch auf die Assistenz aus: Zwar wird an der Vorstandsassistenz selten gespart, aber wenn Abteilungen zusammengelegt oder aufgelöst werden, fallen auch die entsprechenden Assistenzpositionen weg. Oder sie entwickeln sich, klassisch betrachtet, abwärts: von der Assistenz der Abteilungsleiterin zur Assistenz der Abteilung.

Frauentypische Karrierebrüche

Zu den unternehmensbedingten Brüchen kommen noch die frauentypischen: Elternzeit nehmen nach wie vor überwiegend Frauen in Anspruch. Sie sind es in der Regel auch, die anschließend länger im Job aussetzen oder zumindest ihre Arbeitszeit deutlich reduzieren, um Kinderbetreuung und Haushalt oder in späteren Lebensphasen die Betreuung der alten Eltern „zu wuppen“. Damit fallen Frauen aber sehr oft aus den vorgezeichneten Karrierepfaden heraus und werden von Männern ohne solche „Brüche“ im Lebenslauf überholt.

Das ist schade. Für die Frauen, die Unternehmen und die Gesellschaft. Es ist aber kein Naturgesetz, das man nicht ändern kann, sondern vor allem eine Frage der Betrachtungsweise. Wenn die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sich ändern, muss sich nämlich auch das Denken ändern – das dauert nur manchmal ein bisschen länger. Sie können aber sofort damit anfangen. Bei sich selbst.

Titelbild sekretaria-Magazin Dezember-Ausgabe 2024Dieser Artikel stammt aus dem sekretaria-Magazin. Wollen Sie mehr über die neuesten Trends im Office erfahren? Dann fordern Sie jetzt Ihr kostenloses Probeexemplar an!

Ein „Bruch“ muss keine Sackgasse sein

Wer hätte gedacht, dass eine Physikerin nach zwölf Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin an einem Institut plötzlich Ministerin und 15 Jahre später sogar Bundeskanzlerin werden könnte wie Angela Merkel? Dass eine arbeitslose Bürokauffrau und Mutter von drei Kindern mit Mitte 40 aus dem Stand heraus zu einer Bestsellerautorin würde wie Rita Falk? Oder dass eine Studienabbrecherin ohne Abschluss als Öko-Sozialunternehmerin so erfolgreich sein könnte wie Sina Trinkwalder?

Ausbildung oder Studium, bisherige Stellen und Positionen werden häufig überbewertet. Oft sind es gerade die scheinbaren Brüche, die eine berufliche Entwicklung erst „rund“ machen. Das sachlich-nüchterne Denken der Physikerin war der Bundeskanzlerin sehr nützlich. Ohne die Phase der Arbeitslosigkeit hätte Rita Falk nicht mit dem Schreiben angefangen. Mit einem BWL-Diplom in der Tasche wäre Sina Trinkwalder vielleicht in einer Angestelltenlaufbahn gelandet, statt ihrem Unternehmergeist nachzugeben.

Wie gehen Sie mit Karrierebrüchen bei Bewerbern um?

Der Lebenslauf der Bewerberin sieht buchstäblich abenteuerlich aus: Nach dem Abi hat sie erst einmal ein bisschen herumgejobbt, dann ein Jahr „Work and Travel“ in Neuseeland absolviert. Danach hat sie ein Studium angefangen, nach drei Semestern abgebrochen, ein weiteres angefangen und sich jetzt dazu entschieden, doch lieber eine Ausbildung zu machen: in Ihrem Unternehmen, in Ihrer Abteilung.

„Puh. Die weiß ja wohl gar nicht, was sie will. Fängt alles Mögliche an, macht aber nichts fertig. Nö, die laden wir erst gar nicht zu einem Gespräch ein.“ Ganz ehrlich: Haben Sie das beim Lesen des Lebenslaufs nicht auch spontan gedacht?

Möglicherweise ist die junge Dame tatsächlich unentschlossen, verwöhnt und leicht ablenkbar, also wenig brauchbar für Sie. Es könnte aber auch sein, dass sie vielseitig interessiert und lernfreudig ist, eine etwas längere Selbstfindungsphase durchlaufen und inzwischen klar erkannt hat, dass eine Ausbildung einfach besser zu ihr passt. Deswegen wird sie sich motiviert und diszipliniert einbringen und wegen ihrer hervorragenden Englischkenntnisse einen sehr guten Eindruck auf Kunden und Geschäftspartner machen.

Welche der beiden Interpretationen stimmt, werden Sie nur herausfinden, wenn Sie sich auf ein Gespräch einlassen und nachhaken bzw. wenn Sie die Arbeit der oder des Neuen aufmerksam beobachten. Vor-Urteile sind da selten hilfreich.

Was ist mit Ihren eigenen Karrierebrüchen?

Sie fühlen sich den Kolleginnen, die aus klassischen Büroberufen kommen, immer etwas unterlegen, weil Sie eigentlich gelernte Kinderkrankenschwester oder Hotelfachfrau sind? Sie waren wegen der Kinder einige Jahre zu Hause und fürchten sich vor dem Neuanfang, weil sich so viel verändert hat, mit all den neuen Strukturen, Prozessen und Programmen? Sie waren immer nur für einen Chef tätig und fühlen sich der neuen Tätigkeit als Teamassistentin nicht gewachsen?

Auf Umwegen zu neuen Stärken

Dann probieren Sie es doch einmal mit einem konstruktiven Blick: Was haben Sie in Ihren bisherigen Tätigkeiten erfahren und gelernt, das Ihnen bei Ihren zukünftigen Aufgaben zugutekommen wird? Welche Stärken haben Sie gerade wegen der „Abwege“ in Ihrem Lebenslauf? Um in den genannten Beispielen zu bleiben: Als Hotelfachfrau haben Sie beispielsweise gelernt, mit schwierigen Menschen (Gästen wie Kollegen und Kolleginnen) souverän umzugehen – eine sehr nützliche Fähigkeit, auch im Umgang mit Führungskräften, Kollegen und Geschäftspartnern! Als Mutter haben Sie zwangsläufig an Nervenstärke und Organisationsvermögen zugelegt und sicher auch an Stressresistenz. Das sind ideale Voraussetzungen, um sich schnell auf Neues einstellen zu können – das machen Sie daheim schließlich jeden Tag! Als langjährige Assistenz eines Chefs haben Sie einiges an Menschenkenntnis gewonnen und gelernt, sich auf seine Macken einzustellen. Das wird Ihnen dabei helfen, mit den Macken anderer klarzukommen und Ihre Position im Team zu finden.

Brüche von heute trainieren die Top-Skills von morgen

Wenn Sie Stellenanzeigen aufmerksam lesen, werden ihnen die „Top-Skills“ schnell auffallen, die immer wieder genannt werden: Flexibilität, Belastbarkeit, Teamfähigkeit, selbstständiges Arbeiten. Bei Assistenzpositionen werden meist noch Organisationstalent und Kommunikationsstärke gewünscht.

Praktisch alle diese Fähigkeiten konnten Sie ausgiebig trainieren, wenn Sie sich für eine Familienzeit eine Zeit lang aus dem Job ausgeklinkt haben, aber auch, wenn Sie sich schon in unterschiedlichen Positionen und Branchen versucht haben. Konstruktiv betrachtet ist ein „Bruch“ also eher eine Art Trainingscenter für Ihre Karriere.

Die Autorin Barbara Kettl-Römer ist Autorin mehrerer Ratgeber, darunter „Kundenorientierte Korrespondenz. Zeitgemäß, stimmig und rechtlich einwandfrei schreiben“ sowie „Wege zum Kunden. Akquise für Existenzgründer, Freelancer und Kleinunternehmer“, beide Linde International.
www.kettl-roemer.de